Donnerstag, 21. Oktober 2010

Forclosure Mills untergraben die Fundanmente des US-Rechtsstaats

„Das zweite Bein der amerikanischen Todespirale nun auf dem Boden“ stellt der um dramatische Bilder nicht verlegene Blogger Gonzalo Lira fest in seinem Kurzbericht zum aktuellen „forclosure-gate“ der Banken. Die amerikanische Öffentlichkeit wird jeden weiteren Tag mit neuen Erschütterungen aufgewühlt.
Seit 2007 haben nach dem Bericht der Financial Times Deutschland  die US-Banken zahlungsunfähigen Hypotheken-Nehmern auf dem Wege der Zwangsversteigerung über 6.000.000 Häuser wieder abgenommen.
In der Periode des billigen Geldes, besonders   zwischen 2005 bis 2007 sind haufenweise Regenmacher und Schlangenölverkäufer in der Rolle von Hypothekenmaklern übers Land gezogen und wer immer wollte, bekam eine großzügige Hypothek zu günstigsten Konditionen. Ein epischer Vorgang in einem Land, wo man nicht Mieter zu sein pflegt, wie in Europa, sondern wo das eigene Haus gewissermaßen zu den Menschenrechten gehört und der Traum von ihm alle Bewohner dieses Halbkontinents miteinander verbindet.
Hypotheken sind Geldmaschinen, Zahlungsversprechen über 30 Jahre versehen mit einträglichen Zinsgarantien in Höhen, die der Markt sonst nicht leicht hergibt und,  … solange sie bedient werden.
 Nun hat es noch nie in der Geschichte so viele Zahlungsversprechen gegeben, wie in diesem Jahrzehnt des billigen Geldes,  die von vornherein kaum realistisch waren, denn viele Hypotheken-Nehmer hätten, bei gewissenhafter Prüfung nach hergebrachten Regeln niemals auch nur hundert Dollar geliehen bekommen, geschweige denn einige Hunderttausend. Aber das war den Wundermännern (und –Frauen) an der Hypothekenfront egal, für sie zählte nur der Abschluss und die fette Courtage. Ein Traumgeschäft …das den Banken als Verkäufern der „verbrieften“ Hypotheken auf dem Weltmarkt Milliardengewinne eintrug.
Das Hypothekengeschäft, normalerweise ein konservatives mit sorgfältiger Prüfung, strengen Vorgaben und gesetzlich geforderten Dokumentierungen unter notarieller Aufsicht versehenes, hatte in den Jahren des Wahnsinns solch eine Umdrehungszahl angenommen dass die Banken, „um Zeit und Kosten zu sparen“ sich auf die elektronische Registrierung verlegten und die vorgeschriebene körperliche Beförderung der Eigentumsdokumente von Verkauf zu Verkauf einstellten. Um das „streamlining“ dieser Verkäufe allein ging es, um die Bündelung zigtausender Hypotheken in „Finanzinstrumenten“ die dann, in Scheiben (tranches) geschnitten,  in aller Welt als Beteiligung an amerikanischem Immobilien-Vermögen höchsten Sicherheitsranges (AAA-Bewertung) die Anleger erfreute.

Nun ist die Pestbeule aufgebrochen. Neue Wörter sind entstanden, Begriffe, von denen man sich nie etwas hätte träumen lassen: Robo-Signing, bedeutet: bezahlte Leute beeiden täglich, hunderte IOU’s („I owe you“= Schuldscheine) gesehen zu  haben, Original-Schuldurkunden der Hypothekennehmer. In Wirklichkeit hunderte von Meineiden am Tag, um die rechtlichen Formalitäten bei den Zwangsversteigerungen zu Schein zu erfüllen. Dann die Forclosure-mills, die Zwangsversteigerungsmühlen …
Jetzt, nachdem der Irrsinn sich überschlägt, Hausbesitzer, die nie eine Hypothek hatten oder nie eine Rate ausgelassen hatten zu bezahlen,  sich gegen wild gewordenen Zwangsvollstrecker wehren müssen, jetzt haben sich seriöse Anwälte der Sache angenommen und nun zeigt sich, dass die Banken es jetzt mit der Justiz verschiedenster Bundesstaaten zu tun bekommen, anders als mit der bankenfreundlichen, um kein böseres Wort zu gebrauchen,  Regierung in Washington.
Wer glaubt, dass das jüngst an den US-Hypothekenmärkten bekannt gewordene Chaos um fehlende notarielle Beglaubigungen, unzureichende Urkunden und schlichtweg nicht vorhandene Kreditdokumentationen zu einem erneuten Desaster für die Großbanken und Hypothekendienstleister avancieren würde, der hat seine Rechnung einmal mehr ohne die “Repräsentanten” des amerikanischen Volkes im US-Kongress gemacht. Heimlich, still und leise haben diese ein Gesetz ("Zwischenstaatliches Notariatsgesetz") auf den Weg gebracht und verabschiedet, das Gerichte landesweit dazu anhält, elektronische Beglaubigungen in Form von Computerausdrucken anzuerkennen und auf dieser Basis Zwangsversteigerungen weiter zu genehmigen.

Da die Sache aber blitzschnell die Runde machte und für die Obama-Administration ersichtlich zu heiß wurde, hat der Präsident dieses Gesetz erst einmal nicht unterzeichnet. Das war am 7. Oktober.
 Am nächsten Tag stellte die Bank of Amerika (BoA) in allen 50 Bundesstaaten die Zwangsversteigerungen ein.



4.7.1776 Vereinigte Staaten von Amerika, Transit 8.10.2010 (UTC 12:00), 
BoA stellt in allen 50 Bundesstaaten die Zwangsversteigerungen ein

Das erste Aufkommen des Skandals im September illustriert den langsamen Transit Neptuns auf dem Mond der USA. Mond bezeichnet das Wohnen, das Daheimsein; im Zeichen Neptuns erscheinen die Heimlichkeiten, die Verhüllungen, das nicht Greifbare aber auch die totale Auflösung.

Sonne auf dem Saturn der USA bezeichnet den Moment, wo nicht länger das Zentrum in Washington (also Sonne=13° Krebs), sondern die höchste Instanz, also die Justiz die Dynamik bestimmt. Ein dramatischer Moment in diesem neuen Jahrzehnt.

Und schließlich Pluto mit seiner Oppositions-Resonanz auf die Venus der USA, in der die entscheidenden Sammler, also die Banken, zu erblicken sind. Pluto, der als Archetyp immer als Feind der Gegenwärtigen zu Gunsten der kommenden Generationen unterwegs ist und der hier nun den Geldfürsten der Wall Street mit für unvorstellbar gehaltener Macht entgegentritt.

Gibt es in all dem Zorn und dem Zweifel unserer Tage ein erfreulicheres Transithoroskop?

Ein Kommentator in naked capitalism, welcher Blog die Spitze der enthüllenden Medien einnimmt, machte die ganze Tiefe der Verderbnis sichtbar:

Antifa Richtoffen says:
October 20, 2010 at 12:44 am
This is bedrock stuff. The governance issues here go straight back through 800 years of English and American common law, right through every word of our Constitution and Declaration, and right back to the 63 paragraphs of the Magna Carta. King John signed it in 1215 to keep his head and some aspects of his monarchy.
That document, signed in a room full of drawn swords (so to speak), established the idea that no one can take a free man’s property without the full involvement of the law. No one.
It established the idea of a nation ruled by law, not by men.
These bankers have played with far more fire than they are capable of grasping, methinks.

Und ein anderer Kommentator pflichtet ihm bei:
ReaderOfTeaLeaves says:
October 20, 2010 at 1:36 am
“These bankers have played with far more fire than they are capable of grasping, methinks.”
I very much share your view.
I don’t think these people – including the Beltway ‘pros’, and including lobbyists, have any clear grasp of what they are really dealing with in terms of messing with the foundational concepts of property rights, contracts, law, and ‘justice’.
Where I live, divorce and family law is the most dangerous area of law (in terms of risk to attorneys).
Real estate law is the second. The entire mythology of regions in my part of the US are premised on land and property ownership of ‘real’ estate.
It’s almost like watching that old US tv show “Bonanza”, but instead of Pa and the boys all gathered round the hearth, they come home to find a foreclosure notice on the door (from a bankster who can’t locate the original mortgage, so has made a forged copy). I’m thinking that’s one really, really stupid bankster.

Hier noch der Link zu dem sehr lesenswerten Artikel von Gonzalo Lira, der die ganze Lage sehr eingänglich schildert.
Und hier auch die allerneueste Wendung von heute:

Gespeichert 21.10.2010, UTC 23:27, gepostet: UTC 23:40.

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