Freitag, 27. April 2007

Kommentar zu einem Kommentar

27.4.2007


Lieber Hans,

nun habe ich (mit Deiner Zustimmung) Deine mail als Kommentar gepostet, und Dich als Anonymus verfremdet, dafür aber diesen Kommentar ungewollt verdoppelt. Aller Anfang ist mal wieder schwer…

Du fragst, wieso ich gerade von einem Massaker im Jahre 1755 schreibe? Offenbar hast Du nicht die Zeit gehabt, in meinen ersten Post reinzuschauen, in dem es im ersten Zitat am Ende heißt:

„The settlement was situated somewhere near the present day campus of Virginia Tech.”

Im zweiten heißt es:

“Blacksburg's town limits were slightly northeast of an earlier frontier settlement dating from 1748 called Draper's Meadow, the site of the infamous "Draper's Meadow Massacre" of 1755 [...], which is near the Duck Pond on the Virginia Tech campus.”

Du schreibst weiter: „Einen Zusammenhang mit dem Blacksburg-Morden vom 17.4.2007 kann ich daher auch nicht erkennen. Viele Orte haben viele Massaker erlebt…“

Nun, der Zusammenhang den ich darstelle, hat zunächst nichts mit „astrologischen Schlussfolgerungen“ zu tun. Ich habe mich lediglich gefragt, was ist dieses Blacksburg für ein Ort, wo Menschen jetzt die Katastrophe aushalten müssen, alles weitere hat mir Wiki besorgt. Das nennt man Recherche und ich finde, der Anstand gebietet es, sich für die Menschen, über die man schreibt, auch zu informieren.

Es ist also das „Virginia Tech“ an einem Ort errichtet worden, wo dieses kleine Massaker stattgefunden hat, bei dem vielleicht nicht mehr als vier Siedler den Tod gefunden haben und hältst das grässliche Massaker von Gnadenhütten mit 97 getöteten Indianern ein bisschen dagegen. Es hat nun aber nicht in Gnadenhütten ein Amoklauf stattgefunden sondern auf dem ehemaligen Gelände von Draper’s Meadow im heutigen Blacksburg, und viele oder wenige Opfer – ein gemordeter Mensch ist nun mal ein gemordetes Universum.

Diese Technische Universität mit ihrem vermutlich geschäftigen Treiben, teilt in meinen Augen, das ist meine Schlussfolgerung, den Platz mit den Seelen der damals Ermordeten. Viele solche Orte, sagst Du, gibt es dort. Und viele Orte, an denen, wie in Blacksburg, die Seelen gemordeter Indianer und gemordeter Weißer unerlöst unserem täglichen Treiben und unseren Katastrophen zuschauen.

Ich habe nämlich in Thornton Wilders „Unsere kleine Stadt“ mitgespielt, damals in der zehnten Klasse. Der Blick mit den Augen der Gestorbenen auf das Treiben der Lebenden in der „kleinen Stadt“ ist in der Dichtung nichts ganz Ungewöhnliches. Aber das ist ja nur Literatur, meinst nun wieder Du vielleicht. Wie auch immer, für mich gilt Thornton Wilder immer noch. Und der Eintritt dieser irgendwie „lebenden“ Menschenseelen aus dem achtzehnten Jahrhundert in mein Gemüt bei besagter Recherche, hat mir den Um- und Hintergrund, hat die Tiefen eröffnet – Hans, dafür haben wir ja Seelen.

Ein paar Tage Medienraserei an allen Oberflächen und heute, nach zehn Tagen ist Blacksburg wieder allein mit sich.

Ich denke, an allen Technischen Universitäten der Welt sollten Gedenksteine errichtet werden mit warnenden Worten von Dichtern wie Elias Canetti:


"Das gefährlichste an der Technik ist, daß sie ablenkt, von dem, was den Menschen wirklich ausmacht, von dem, was er wirklich braucht.“

Und in allen Ländern des Planeten - natürlich nicht nur in Blacksburg - sehen uns die Gestorbenen zu, glaube ich, ob wir es denn endlich kapieren und das zerrissene Menschenwesen zusammenfügen, das da so lange schon geteilt ist in Indianer und Zivilisierte, Neger und Weisse, Christen und Juden, Schiiten und Sunniten… auf das sie eine ersehnte Ruhe finden können, auf dass sie endlich ein wenig mehr loskommen von dieser Erde um sich endlich der Ewigkeit widmen zu können. (Wir Fische haben es im Innersten doch so mit der Erlösung, wenn wir nach unseren Herzen hören.) Dass sie nicht loskommen von der Erde und den Orten ihres „normalen“ Menschenmartyriums, liegt es nicht daran, dass ihnen ihr Menschenbruder abhanden gekommen ist - eine alte Geschichte? In den Indianerkriegen war dem Siedler der „Indianer“ in sich abhanden gekommen, den nenne ich astrologisch der „Widder“ - das Wilde, Freie, Noch-Nicht-Assoziierte; dem Indianer aber war der „Siedler“ in sich abhanden gekommen, astrologisch „Stier“ - die Wahrheit des Sich-Setzens, Verwurzelns und die Wildnis-zum-Park- Umwandelns.

Und ich sehe das Unerlöst-Sein der Toten darin begründet, dass, so wie wir ins Leben gekommen sind, als vollständige, runde Wesen, wir so an der Ausgangspforte auch wieder erwartet werden. Krüppel werden an der Pforte nicht durchgelassen, dessen bin ich sicher, und - - das ist nicht körperlich gemeint. Für Körper, ahne ich, interessiert sich das Jenseits nicht.

Also – Schlussfolgerung: Amok-Lauf eines koreanischen Studenten hat – vordergründig– nichts mit dem Ort zu tun, an dem er stattfand. Da der Student aber ein menschliches Wesen ist, das Funktionen hat, die sich des Vordergründigen annehmen und solche, die in die Weiten und Tiefen der Psyche reichen, darum hat er teil an der kollektiven Psyche, am gemeinsamen psychischen Klima, und ist, vielleicht aus einer Million Gründen, einem darin enthaltenen Blutgeist erlegen. Mehr kann ich nicht schlussfolgern.

Das Gefährliche aber an der Technik, von dem Canetti sprach, wenn es nun ihr Geist ist, welcher ausschließt, was nicht Technik, was nicht rational ist – der bestimmende Geist der letzten 400 Jahre – wenn doch vielleicht der Koreaner und seine Opfer letztlich, wie schon so viele, diesem Geist zum Opfer gefallen sind, weil dieser Geist, zumindest in seiner reinen Willenshaltung, ausschließt die Heilung der Seele – sich führen und rühren lassen von den Dingen, wie sie geschehen in ihrer geheimen „Absicht“ uns dorthin zu bringen, – den fehlenden Bruder zum Mindesten in der eigenen Person wieder hinzuzufügen. Das ist mein Glaube und dass war Motiv und leitende Idee meines Beitrags.

Was die astrologischen Bemerkungen angeht: ich sehe meine Aufgabe darin, das Material in Form von Horoskopen zugänglich zu machen, damit jeder astrologisch Gebildete seine eigenen Schlüsse ziehen kann. Weise ich auf Zusammenhänge hin, ist das natürlich für den astrologischen Analphabeten unverständlich. Daran kann ich nichts ändern. Paradoxerweise werde ich es dennoch immer wieder versuchen. Das einzige, was ich anstrebe: der kommenden Astrologischen Zivilisation, ihrer leisen Annäherung, zu dienen und mich dieser ungeheuerlichen Fracht, die ein astrologischer Esel zu befördern hat, gewachsen zu erweisen.

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