Samstag, 20. September 2008

Glaubenskrisen und die Wallstreet (zweiter Versuch)



Die Börse hat längst die Kirche abgelöst. Die Glaubensfrage der Neuzeit heißt nicht mehr: „Auferstehung des Fleisches - oder nicht?“ sondern: „Auferstehung des DAX über 6000 Punkte oder nicht?“
Der Meistergrübler der zwanziger Jahre, Walter Benjamin schrieb Anfang der Zwanziger ein „Theologisch-Politisches Fragment“ in dem er feststellte:
„Im Kapitalismus ist eine Religion zu erblicken, d.h. der Kapitalismus dient essentiell der Befriedigung derselben Sorgen, Qualen, Unruhen auf die ehemals die sogenannten Religionen Antwort gaben.
Anstelle eines Nachweises der religiösen Struktur des Kapitalismus schrieb er:
Wir können das Netz in dem wir stehen nicht zuziehen. Später wird dies jedoch überblickt werden.
Und fuhr fort:
Drei Züge jedoch sind schon in der Gegenwart an dieser religiösen Struktur des Kapitalismus erkennbar. Erstens ist der Kapitalismus eine reine Kultreligion, vielleicht die extremste, die es je gegeben hat. Es hat in ihm alles nur unmittelbar mit Beziehung auf den Kultus Bedeutung, er kennt keine spezielle Dogmatik, keine Theologie. Der Utilitarismus („alles fürs Glück der Meisten“) gewinnt unter diesem Gesichtspunkt seine religiöse Färbung.
Mit dieser Konkretion des Kultus hängt ein zweiter Zug des Kapitalismus zusammen: die permanente Dauer des Kultus. […] Es gibt da keinen Wochentag“, keinen Tag der nicht Festtag in dem fürchterlichen Sinne der Entfaltung allen sakralen Pomps, der äußersten Anspannung des Verehrenden wäre.
Dieser Kultus ist zum dritten verschuldend. Der Kapitalismus ist vermutlich der erste Fall eines nicht entsühnenden, sondern verschuldenden Kultus. Hierin steht dieses Religionssystem im Sturz einer ungeheuren Bewegung.
Ein ungeheures Schuldbewusstsein, das sich nicht zu entsühnen weiß, greift zum Kultus, um in ihm diese Schuld nicht zu sühnen, sondern universal zu machen, dem Bewusstsein sie einzuhämmern und endlich und vor allem Gott selbst in diese Schuld einzubegreifen, um endlich ihn selbst an der Entsühnung zu interessieren.
[…]
Es liegt im Wesen dieser religiösen Bewegung, welche der Kapitalismus ist, das Aushalten bis ans Ende, bis an die endliche völlige Verschuldung Gottes, den erreichten Weltzustand der Verzweiflung, auf die gerade noch gehofft wird.
Darin liegt das historisch Unerhörte des Kapitalismus, dass Religion nicht mehr Reform des Seins sondern dessen Zertrümmerung ist. Die Ausweitung der Verzweiflung zum religiösen Weltzustand aus dem die Heilung zu erwarten sei. Gottes Transzendenz (Außerweltlichkeit) ist gefallen. Aber er ist nicht tot, er ist ins Menschenschicksal einbezogen.
Dieser Durchgang des Planeten Mensch durch das Haus der Verzweiflung in der absoluten Einsamkeit seiner Bahn ist das Ethos das Nietzsche bestimmt. Dieser Mensch ist der Übermensch, der erste der die kapitalistische Religion erkennend zu erfüllen beginnt.
Ihr vierter Zug ist, dass ihr Gott verheimlicht werden muss, erst im Zenit seiner Verschuldung ausgesprochen werden darf. Der Kultus wird vor einer ungereiften Gottheit zelebriert, jede Vorstellung, jeder Gedanke an sie verletzt das Geheimnis ihrer Reife. […]
Der Gedanke des Übermenschen verlegt den apokalyptischen „Sprung“ nicht in die Umkehr, Sühne, Reinigung, Buße, sondern in die scheinbar stetige, in der letzten Spanne aber sprengende, diskontinuierliche Steigerung. […] Der Übermensch ist der ohne Umkehr angelangte, der durch den Himmel durchgewachsene, historische Mensch. Diese Sprengung des Himmels durch gesteigerte Menschhaftigkeit, die religiös […] Verschuldung ist und bleibt …
Der Kapitalismus ist eine Religion aus bloßem Kult, ohne Dogma. Der Kapitalismus hat sich […] auf dem Christentum parasitär im Abendland entwickelt, dergestalt, dass zuletzt im Wesentlichen seine Geschichte die seines Parasiten, des Kapitalismus ist." (Ges. Schriften, VI, S. 100, Frankfurt/M., 1991)
Und Zeit seines Bestehens gab und gibt es immer wieder die kapitalismusspezifischen "religiösen" Krisen, in denen an der weiteren Möglichkeit zur Steigerung gezweifelt wird.
Und die astrologischen Instrumente verzeichnen getreulich die Momente solcher Glaubenskrisen. Die psychischen Gegebenheiten, die an der Börse zu historischen Einschnitten führen, zeigen sich offenbar in den Konstellationen der Königskonjunktionen des Wasserelements genauso klar, wie deren reale Entsprechungen in denen der Erdkonjunktionen.
Für das Jahr 1929 käme mithin die bislang letzte Königskonjunktion im Wasserelement, das ist die vom 25. Dezember 1305, in Frage. Dafür wären ihre „grünen“ Resonanzen auf das Tageshoroskop vom 24.10.1929 zu betrachten und das zuständige Septar, welches vom 90. Geburtstag der Konjunktion von 1305 stammt. Weil das erste Septar (für die ersten sieben Jahre) nicht der erste Geburtstag einer Königskonjunktion ist sondern diese selbst, deshalb handelt es sich um das Horoskop des 25.12.1394, UTC 2:30 auf New York:


Es geht am 24. Oktober um den zweiten Spiegel, also den Zeitabschnitt, in dem oben das elfte und unten das zweite Haus durchlaufen wird. Man sieht: in der oberen Bewegung ist Löwe/Sonne ausgelöst, die im fünften Haus ihr Lieblingsspiel, Verschwendung, mit Risiko spielen möchte. Im Quadrat verbunden, versichert ihr Jupiter im achten Haus den Glauben an weitere Ausweitung der Eroberungen.
Gleichzeitig aber, in der unteren Strecke des zweiten Spiegels geht die Bewegung durch das Milieu der Waage und das heißt nicht nur vielsagenderweise: „Bilanz“, sondern das lenkt den Blick auf Venus in ihrer Stellung im sechsten Haus im Wassermann-Milieu und ihrer Abhängigkeit von Uranus. Uranus pflegt wassermanngemäß aus den Fischen, aus dem Chaos der Reinigung, neue Anfänge zu schöpfen. Uranus beherrscht aber Venus nicht nur durch sein Zeichen, er ist auch direkt, im Quadrat, mit Venus verbunden, die zugleich das Quadrat zu Neptun zu ertragen hat, welcher Pluto, den Glauben, ebenfalls in Quadrat-Resonanz zu Venus, auflöst. Und diese Nullpunktsituation, diese Bilanzbereinigung, diese völlige Auflösung des Gewesenen bezieht sich auf das zweite Haus: Besitz und Sicherheiten.
Wer nicht an Synchronizität glaubt, für den muss diese Entsprechung als Zufall unglaublich sein.
Nach dem Septar die Transite zur Wasserkonjunktion:
24.10.1929, UTC 14:30, Resonanzen zur Königskonjunktion Wasserelement von 1305
24.10.1929, UTC 14:30, New York mit den Resonanzen zur Königskonjunktion Wasser von 1305
Hier nun zeigt sich die Sonne, das Handlungs-Vermögen der Psyche (=„grüne“Substanz), punktgenau auf der grünen Königskonjunktion von Saturn und Jupiter. Auch beteiligt in nur 1° Abstand ist der grüne Mond in Opposition.
Zum anderen Merkur, die wirtschaftende Ratio der Psyche, in exaktem Quadrat zur grünen Sonne/Merkur-Konjunktion.
Die Königskonjunktion im Skorpion kann der Psyche nur eins sagen: „Zahle Deine Schulden“. Skorpion ist ja der Gegensatzpartner des Stiers. Letzterer sagt: „Vereinnahme, vermehre Deinen Bestand“, also heißt uns Skorpion das Gegenteil. Er meint also, in Bezug auf die bleibende, überdauernde (Saturn/Jupiter) Gestalt der schaffenden Psyche, etwas von der Art, wie es der heilige Franziskus v. Assisi machte, der alles, was er besaß hergegeben hat, um der geistigen Gemeinschaft teilhaftig zu werden.
Nach Maßgabe des Steinbock, in welchem das grüne Paar Sonne/Merkur weilt, heißt es von Leben und Wirtschaften: „Lebe und besorge Deine Bestimmung“, was, da Steinbock nicht zum Individuum, sondern zu allen spricht, bedeutet: Mensch, lebe und besorge Deine Bestimmung. Im Sinne des Steinbocks unter den Jüngern Jesu, Petrus („Du bist der Fels …“), heißt diese Bestimmung:
„Legt also alle Bosheit ab, alle Falschheit und Heuchelei, allen Neid und alle Verleumdung. Verlangt, gleichsam als neugeborene Kinder, nach der unverfälschten, geistigen Milch, damit ihr durch sie heranwachst und das Heil erlangt. Denn ihr habt erfahren, wie gütig der Herr ist. Kommt zu ihm, dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber von Gott auserwählt und geehrt worden ist. Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen.“ (1. Petr. 2, 1-7)

Und 2008?
Die Einkreisung des Moments, wo die Anleger an der Wallstreet vom Glauben abgefallen sind, ist schwierig. Jeder, der Zugang zum Internet hat, kann den Kursen des DOW, der Investmentbanken, und speziell der Hypothekengeber, ablesen, dass die Anleger, ständig zunehmend, seit November letzten Jahres vom Glauben abgefallen sind. Die langanhaltende Position des aktuellen Neptun in der Opposition zur Sonne der Erdkonjunktion mag das anzeigen: Auflösung und Neugeburt, d.h. „Kindwerdung“ des Sinns realer Werte.

30. Septar Königskonjunktion im Erdelement
17.7.1831, UTC 22:37, New York

 Hier in den Septaren der Erdkonjunktion geht es um Bestände (Stier), Ratio (Jungfrau)
und die Maßstäbe (Steinbock) des Übergeordneten. Und im Bereich dieser  Maßstäben löst Neptun alle klaren Umrisse auf, so dass das Grenzen - setzen und Regulieren des "Königs"
ein kompletter Ausfall ist und das Privateigentum (Krebs) außer Rand und Band geraten ist.


Und die Religion zur gleichen Zeit? Fragen wir das zuständige Septar des Wasser-Elements, dem mit Fische, Skorpion und Krebs Vertrauen, Glaube und der häusliche Altar unterstehen:


101. Septar Königskonjunktion Wasser, 24.12.1405 für 2005 - 2012 New York

Auch hier zeigt sich, dass für Merkur als Aszendentenherrscher dieses Jahrsiebts Auflösung und Neubeginn angezeigt sind. In der unteren Bewegung ist durch Jungfrau Merkur aktiviert. Da sind Sintflut-Assoztiationen naheliegend. Untergang und Bereinigung in den Zwillingen, das heißt dort, wo eingeschätzt und bewertet wird und wo die Erzählungen blühen. Mit ausgelöst ist Jupiter durch Quadrat, was eine hoffnungsvolle Note hereinträgt, aber, in den Fischen stehend, läßt die versöhnliche Einsicht, welche Jupiter bezeugt, an ein einen vom Durchschnittszeitgenossen noch unverstandenen destruktiven Optimismus denken, an einen Geist der trägt, jenseits von Kapitalsorgen.
Von der oberen Bewegung her ist Saturn ausgelöst, dem Pluto antwortet aus der Quadratresonanz. Pluto, Herrscher des Skorpions ist der Anzeiger für die Lage des Glaubens. In Zwilling ist er dem Schicksal des Merkur unterworfen. Womit wir wieder bei der Glaubenskrise wären, denn Merkur, s. oben wird von Neptun gelöscht. Diesen zwei Mächten, diesem neptungrünen Pluto und und dem fischegrünen Saturn sind Sonne das Zentrum und Uranus die Peripherie ausgesetzt.
Saturn und Pluto sind einander einig in Hinblick auf das Festhalten an einem verstockten Geist überkommener Werte, was für die Wahlen im November den "Change"- Gestimmten im Zeichen der Sonne/Uranus-Konjunktion auf den ersten Blick keine Freude verspricht. Lediglich die Tatsache, dass Saturn in den Fischen steht und auch Pluto sich abhängig von einem Herrscher
zeigt, den Neptun unterspült oder überspült, verspricht den jungen, grünen Trieben der amerikanischen Psyche Wachstum und Wirkung. Zumal dann ab 24. November vierzehn Monate im Zeichen des in grüner Neptun-Resonanz erneuerten Jupiters stehen. Aber das sind grüne Triebe, die eher einer künftigen, als dieser Generation Freude machen dürften.
Zurück zur Börse, zum zweiten Haus und seinen Sorgen um die Sicherheit vorhandener Bestände. Der Herrscher des zweiten Hauses ist der schon genannte Zwillingsmerkur. Die Neptun-Resonanz konstelliert im Unbewußten der Anteilseigner einen Bereinigungsdrang, so will es mir scheinen. Wird so ein Drang nicht vom Bewußtsein übernommen und entsprechend verarbeitet, steht zu befürchten, dass in Bereinigungen gestolpert wird anstatt kontrolliert und vorbereitet hineingegangen. Was das börsentechnisch bedeutet, entzieht sich meiner Kenntnis. Verweist jedenfalls, sofern Neptun mit der Bereinigung noch nicht zufrieden ist, auf die Möglichkeit weiterer destruktiver Hoffnungen. Man kann zwar Leergeschäfte verbieten aber nicht, dass die Kurse in einer zweifelnden Börse fallen. Staat und Fed können zwar die Rettung vor einem Zusammenbruch des Finanzmarktes finanzieren, aber dem Steuerzahlern Kaufkraft zuweisen geht über ihre Kräfte.
Noch ein Blick auf die "grünen" Resonanzen am schwarzen Montag 2008.
Das Horoskop des „Schwarzen Montags“ 2008 zeigt, wie vergangenen Montag dargelegt, nur eine, allerdings bedeutende, aktuelle „grüne“ Resonanz: die des Jupiter, punktgenau auf 12,6° zwischen der grünen Sonne und Merkur. Dazu ist das Nötige gesagt.
Ausblick: die ganze Truppe der für das Persönliche zuständigen Planeten und die Sonne haben ihren diesjährigen Durchgang durch den Skorpion mit all seinen grünen, sprich psychischen, Resonanzen noch vor sich.
Der Übergang der Venus heute und des Mars nächste Woche über die Resonanz des roten und blauen Pluto ist Gegenwart bis in diese Zeilen hinein.
Immer bleibt Plutos Gesetz: wo Verzicht als die individuelle Gier ausgleichendes Medium angesagt ist, da bleibt nur die Wahl: freiwillig oder unter Zwang. Skorpion ist auf der Ebene des Kollektivs das Gleiche, was Stier ist auf der Ebene des Individuums: Sicherung des Überlebens.
Und wo der Einzelne nicht bewusst, gewollt und gezielt verzichtet, da vollzieht sich der Verzicht (im Zeichen der Elemente-Plutos) eben als Massenschicksal – so, wie jetzt, im Zusammenhang mit der Rettung des Systems, durch Verzicht der Steuerzahler in Höhe von – heute kam die neue Zahl- 700.000.000.000 (Siebenhundertmilliarden) $.
Die benjaminschen Überlegungen von einer Steigerung bis zur Verzweiflung, die den religiösen Aspekt des Kapitalismus darstelle, verweist auch, implizit auf die mögliche Hoffnung: es ist - gegen Religion hilft nur Religion - der individuelle Austritt aus dem Kultus der Anbetung von Wallstreet. Die Freiheit der Religion umschließt, Gott sei Dank, auch die dankbare Annahme der Wunder von Maß und Zahl, die als lebendiger göttlicher Geist das Universum durchwalten und die in ihren Synchronizitäten die denkenden Bewohner von Sterneninseln im All in Erstaunen setzen.
Gespeichert: UTC 16:52, gepostet: 17:08 und 21.9. um 18:19.

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