Montag, 17. Februar 2020

Symbole

Aus Erich Neumann, Die Große Mutter, Olten 1989.S. 30/31.

" ... die Symbole sind nicht nur auf das individuelle Ich bezogen, wie die Bewusstseinsfunktionen, sondern auf die Ganzheit des psychischen Systems, die Bewusstsein und Unbewusstes umfasst.

Aus diesem Grunde sind im Symbol nicht nur bewusste und unbewusste Elemente enthalten,
sondern wir finden neben Symbolen und Symbol-Elementen welche das Bewusstsein relativ schnell verarbeiten kann, immer auch solche, die nur im Ver4laufe von langen Entwicklungen oder überhaupt nicht assimiliert werden können und die irrational und bewusstseinstranszendent bleiben.

Die Bewusstseinsunabhängigkeit des natürlichen Symbols äußert sich auch darin, dass es den Charakter des Unbewussten, dem es entstammt, in seiner eigenen Struktur repräsentiert. Während zu den Merkmalen des Bewusstseins die Trennung in Ich und Du gehört, kehren im Symbol die Grundmerkmale der "Ursprungssituation" des Unbewussten wieder. Rationale und irrationale, bewusste und unbewusste, der Innen- und Außenwelt entstammende Elemente fallen in ihm nicht nur zusammen, wie der Terminus >>Symbol<< besagt, sie erscheinen in ihm auch in einer ursprünglichen und natürlichen Einheit.

Die symbolische Bildrepräsentation durch das Unbewusste ist der schöpferische Quellpunkt des menschlichen Geistes in allen seinen Verwirklichungen. Nicht nur das Bewusstsein und die Begriffe seines philosophischen Weltverständnisses entstammen dem Symbol, sondern ebenso Religion, Ritus und Kult, Kunst und Brauchtum. Aber weil der symbolbildende Prozess des Unbewussten der Ursprungsort des menschlichen Geistes ist, ist auch die Sprache, die mit der Entstehung des menschlichen Bewusstseins fast identisch ist, anfangs auch immer Symbolsprache.

... Tendenz des Symbols, mit Hilfe von Überschneidungen, Überblendungen und Verwebungen gegensätzliche Elemente zu verbinden und die verschiedensten Lebensgebiete miteinander in Kontakt zu bringen.

Das Symbol weist hin, deutet an und erregt. Aus diese Weise setzt es das Bewusstsein in Bewegung und bringt es dazu, alle Bewusstseinsfunktionen zur Verarbeitung zu verwenden. Denn eine nur begriffliche Verarbeitung des 'Symbols erweist sich als völlig unzureichend.

Während die Symbolwirkung die Bewusstseins - Überbetonung des modernen abendländischen Menschen ausgleicht, ist sie beim Frühmenschen nicht nur bewusstseinsstärkend, sondern geradezu bewusstseinsbildend. Durch das Symbol erhebt sich die Menschheit aus der Frühphase der Gestaltlosigkeit, mit der Bildlosigkeit und Blindheit einer nur unbewussten Psyche, zur Phase der Gestaltung, deren Bildhaftigkeit eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung und Entwicklung des Bewusstseins ist."

Murnau, 17.2.2020, UTC 16:43.

Dokumentation:



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